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"Die Energiekrise wird bleiben und zwingt uns zum umdenken"

Dieser Beitrag erschien ursprünglich im Lünendonk Handbuch FM 2023

Krieg und die damit verbundene wackelnde Versorgungssicherheit, Klimakrise, Kostenanstieg für Energie – noch nie war die Optimierung des Energieverbrauchs im Betrieb von Gebäuden so wichtig wie heute. Politische und gesetzliche Rahmen verändern sich und auch wirtschaftlich verändern Vorgaben durch Green Finance die Kraftrichtung. Für Betreiber und Eigentümer von Nichtwohngebäuden sowie Facility-Management-Dienstleister gilt es nun, gemeinsam schnell zu handeln und geeignete Wege für die anstehenden Herausforderungen zu finden – auch wenn die Herangehensweisen unterschiedlich ausfallen. Wir horchen in ein Gespräch zwischen Owe Andresen (OA), der als Head of Real Estate 40 Standorte von Danfoss in Deutschland, Österreich und den Benelux-Staaten verantwortet, und Andreas Blassy (AB), Leiter der Abteilung Digital & Energy Services bei Caverion. 

Wohin entwickelt sich der Markt?

AB: Wir reden heute über das Thema Energiemanagement – ich von Seiten eines Anbieters für Gebäudetechnik und Energiedienstleistungen, Sie als Vertreter eines großen internationalen Konzerns. Wäre das vor fünf Jahren auch schon ein Thema gewesen?

OA: Ja, aber unter anderen Vorzeichen. Die Klimakrise ist ja kein neues Phänomen. Danfoss möchte bis 2030 CO2-neutral sein. An unserem Hauptsitz in Dänemark haben wir das bereits geschafft, zum Beispiel durch Verträge mit Windparks. Aber der wahre Treiber ist nun die Energiekrise. Aufgrund unseres weltweiten Wachstums haben wir einen steigenden Energiebedarf.

AB: Es reicht nicht, nur auf nachhaltige Energiequellen zu setzen. Genauso wichtig ist es, Einsparmöglichkeiten zu identifizieren und umzusetzen.

OA: In der Praxis sieht man das gerade an unserem Standort in Flensburg. Hier verdoppeln wir aktuell unsere Kapazitäten – Caverion ist einer unserer Auftragnehmer. Wir nehmen uns deutlich mehr Zeit, um die Gebäude energetisch zu betrachten und das nötige Know-how einzukaufen. Wir denken viel langfristiger und scheuen auch nicht höhere Ausgaben. Gleichzeitig passen wir uns ständig an, wenn sich bessere, nachhaltigere und sinnvollere Lösungen anbieten.

AB: Ein Glück! Darauf haben wir als technischer Partner gewartet, dass Unternehmen das große Ganze betrachten und nicht nur Einzelmaßnahmen beauftragen. Danfoss ist hier kein Einzelfall. Ausschreibungen enthalten immer häufiger umfassende Energiedienstleistungen. Man scheut nicht mehr vor längeren ROIs zurück. Früher musste sich vieles schnell refinanzieren.

OA: Langfristige Entscheidungen sind schwierig, wenn man in einem dynamischen Umfeld agiert. Deshalb waren Low hanging fruits so attraktiv. Diese haben wir größtenteils abgearbeitet. Nun stellt sich die Frage, wie die künftige Strategie aussehen soll, bei nicht kalkulierbaren Strompreisen. Eines ist ja sicher: . Zum Beispiel hin zu Investitionen mit längerem ROI, wie beim geplanten Energiemanagement am Standort Flensburg. Wir haben als Konzern sowohl ein zentrales Team, welches die globale Strategie hinsichtlich unserer Energie Savings vorgibt, als auch regionale oder lokale Fachleute um die Strategie Wirklichkeit werden zu lassen.

AB: Das sind ideale Voraussetzungen für die Zusammenarbeit, wenn man dieselben Ziele verfolgt und auf Augenhöhe sprechen kann. Auch Caverion hat eine eigene Fachabteilung Energy & Digital aufgebaut und wird diese weiter ausbauen. Die Nachfrage ist da, auch wenn es noch lange kein Standard ist, dass Energiemanagement langfristig, praktikabel und wirtschaftlich aufgebaut wird. Dabei ist es mehr als sinnvoll, da sich alleine dadurch jährlich drei bis fünf Prozent an zusätzlichen Energiekosten einsparen lassen – on top zu den dadurch erst zu eruierenden Einsparpotentialen.

OA: Der monetäre Gedanke spielt natürlich in Unternehmen immer eine Rolle. Aber als Lieferant von Systemlösungen zur Gebäudeoptimierung wollen wir vor allem unserem eigenen Anspruch gerecht werden und nicht nur Energie bei unseren Kunden einsparen, sondern bei unseren eigenen Liegenschaften mit gutem Beispiel vorangehen. In Frankfurt wird unsere Deutschlandzentrale in das erste CO2-neutrale Bürogebäude Deutschlands einziehen.

Hintergrund

CO2-neutrale Bürogebäude, wie Danfoss sie nutzen und realisieren will, werden auf lange Sicht jedoch noch die Ausnahme in Deutschland bleiben. Denn rund 58 Prozent der beheizten Nichtwohngebäude sind älter als 45 Jahre1. Das Effizienzpotential ist entsprechend enorm – und enorm liegengeblieben. Laut DENEFF und der Beratungsgesellschaft co2online hätten seit 2013 rund 50 Milliarden Euro an Energiekosten und damit 10 Millionen Tonnen CO2 verhindert werden können, allein durch geringinvestive Maßnahmen in den Gebäudebestand2. Dass kein Weg an Einsparungen vorbeiführt, zeigt die Tatsache, dass das Klimaziel im Gebäudesektor auch 2022 um 5 Millionen Tonnen CO2 Einsparung verfehlt wurde3. Grundlage für Einsparungen ist ein professionelles Energiemanagement. Die Argumente hierfür gehen weit über die Energie- und Klimakrise hinaus.


Gesetzgebung und Konzernrealität

AB: Unternehmen sind sich zunehmend ihrer gesellschaftlichen Mitverantwortung hinsichtlich Klimaschutz und Generationenvertrag bewusst. Gleichzeitig muss man mit immer strengeren Vorschriften aus der Politik rechnen. Hier gilt es, den Überblick zu behalten, um Kunden optimal beraten zu können, gerade auch, was Fördermöglichkeiten und zukünftige Entwicklungen betrifft. Hier braucht es Konsistenz und ein Verständnis für die Anforderungen in der Praxis.

OA: Ich bin kein Fan davon, wie die deutsche Gesetzgebung mit dem Thema Energieeffizienz umgeht. Es ist gut, bessere Strukturen zu haben, Stichwort ESG-Reporting. Aber in Deutschland strebt man danach, immer alles bis ins kleinste Detail geregelt haben. Aus meiner Sicht dauern Gesetzgebungsprozesse einfach zu lange. Das Umfeld indem wir uns als globaler Konzern bewegen ist deutlich dynamischer und da können und wollen wir nicht auf Gesetze aus einzelnen Ländern warten. Die Praxis sieht deshalb viel rudimentärer aus. Allein im vergangenen Jahr hat Danfoss in Deutschland vier Liegenschaften gekauft – alle auf dem energetischen Stand der 60er Jahre. Da werden Verbräuche schon mal geschätzt. Sie als Fachmann würden das sicher nicht empfehlen?

AB: Hier müsste man bei null anfangen und erst einmal ein Datensystem zur Erfassung aufsetzen. Auf aktuellem Stand sind hier übrigens nur rund ein Drittel unserer Kunden. Dieser „Daten-Blindflug“ ist eines der größten Hindernisse für einen effizienten Gebäudebetrieb. Und Daten sind die Grundlage für jegliche Art von Energieeffizienz und Smart Services. Inzwischen können wir zum Beispiel Gebäudeparameter visualisieren und in Echtzeit auf Veränderungen reagieren. Bei uns im Haus im sogenannten Operational Center. 

OA: Wieviel wollen oder müssen wir in Datenerfassung investieren? Die Realität sieht so aus, dass wir nur an 70 von 450 Standorten eine Datenerfassung haben. Damit können wir aber 90 Prozent des Energieverbrauchs im Konzern erfassen. Braucht es die letzten zehn Prozent? Dasselbe gilt für Beraterkosten. Damit ist letztendlich ein Geschäftsrisiko verbunden, denn abgeleitete Maßnahmen können komplex und schwierig in der Praxis ausfallen. 

AB: Aber ohne Beratung und Analyse können wir nicht starten. Alles andere wäre ein Blick in die Kristallkugel. Die Mehrheit unserer Kunden ist stark sicherheitsorientiert und will genau wissen, was welche Maßnahme bringt. Das kann nur eine genaue energetische Analyse offenbaren. 

OA: Hier liegt Danfoss dann wohl nicht im klassischen Kundenprofil der Caverion. 

AB: Dafür klappt die Zusammenarbeit doch erstaunlich gut. (lacht)


Hintergrund

Dauern Gesetzgebungsprozesse zu lange wie Owe Andresen feststellt? Und welche Rolle spielen Beratung und Analyse für die Beschleunigung der Dekarbonisierung, die Andreas Blassy als wesentlich betrachtet? Fakt ist: Von 2010 bis 2020 sind die Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor von 148 Mio. Tonnen auf 119 Mio. Tonnen gesunken3. Bis 2030 müssen 67 Mio. Tonnen erreicht werden. Ein enormer Kraftakt, der neben wirtschaftlichen Anreizen wohl nur durch verschärfte Vorgaben zu erreichen sein wird. So zeichnet sich bereits im März 2023 ab, dass die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) voraussichtlich weitreichende Maßnahmen zur Verbesserung der Qualitätssicherung, Anlageneffizienz und Energiemanagement bzw. Gebäudeautomation vorsieht. Es gilt vor allem die Gesamteffizienz von Bestandsgebäuden zu verbessern.


Pragmatisch zum Ziel

OA: Wir arbeiten ja schon länger zusammen. Seit über 10 Jahren ist Caverion unser Partner im Bereich des operativen FM’s und in der Umsetzung von Gebäudeprojekten. Der Bereich der Energieanalysen und die daraus resultierenden Optimierungsmaßnahmen werden immer wichtiger. 

AB: Zum Beispiel auch beim Ausbau der Produktion in Flensburg, inklusive Reinraum. 

OA: Wir sprachen bereits über die Detailliebe der Deutschen und die neue Marktdynamik. Ich finde das spiegelt sich ganz gut in diesem Projekt. 

AB: Man kann der Entwicklung nicht standhalten, wenn man versucht alles perfekt zu machen?

OA: Genau. Und das macht es so schwierig für uns als Konzern. Wir müssen dem eigenen Wachstum standhalten und dürfen uns nicht ständig selbst überholen. Dafür braucht es auch manchmal unkomplizierte Lösungen, keine Standardprozesse. Um dem Tempo standhalten zu können, darf man ruhig auch mal bei 90 Prozent statt 100 loslegen. 

AB: Ein pragmatischer Ansatz. Aber dann bitte keine Beschwerden, wenn Störungen auftreten. 

OA: Absolute Sicherheit gibt es nicht, dafür Vertrauen in die Zusammenarbeit.

AB: Zusammenarbeit gerne auch phasen- und kompetenzübergreifend. Wir sind mehr als ein technischer Gebäudedienstleister. Als Berater identifizieren wir früh Einsparpotenziale und das ab der Planungsphase. 

Owe Andresen
Andreas Blassy

Owe Andresen
leitet den Bereich Real Estate und FM für die Region CER bei Danfoss. Damit verantwortet er rund 140.000 qm Fläche an 40 Standorten in fünf Ländern. Danfoss ist ein global tätiges Technologieunternehmen mit mehr als 40.000 Mitarbeitenden und bietet Lösungen für mehr Energieeffizienz und Produktivität.

Andreas Blassy
leitet den Bereich Digital & Energy Services bei Caverion. Er entwickelt Lösungen, um die Verbrauchswerte von Gebäuden zu senken – und sichert damit einen nachhaltigen sowie kostengünstigen Betrieb. Caverion plant und errichtet gebäudetechnische Anlagen und übernimmt Service und Wartung. Das Unternehmen beschäftigt in Europa 14.500 Mitarbeitende. 

 

Quellenangaben:

bit.ly/3kD4LTu 
http://bit.ly/3Zvz8tU
bit.ly/3KYQ1cg
bit.ly/3KYQ1cg

Pressekontakt

Weitere Informationen: Caverion Deutschland Holger Winkelsträter Marketing & Kommunikation Tel.: 49 (0)89 3742 88 117 holger.winkelstraeter@caverion.com  Beate Eichinger Marketing & Kommunikation Tel.: 49 (0)991 3104 160 beate.eichinger@caverion.com

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