Die jüngsten Gesetzesvorgaben zeigen eines deutlich: Unsere bisherigen Bemühungen haben bei weitem nicht ausgereicht, um den Gebäudebestand energetisch auf Vordermann zu bringen. Es braucht gesetzlich geforderte Investitionen in die Energieeffizienz von Gebäuden und den Ausbau erneuerbarer Energien. Energiesicherungsverordnung, Energieeffizienzgesetz, Novellierung des GEG: 2023 wird ein spannendes Jahr für den Gebäudesektor. Wir haben viel aufzuholen.
Ein Kommentar von Henning Ellermann, Leiter Energieeffizienz in Gebäuden beim Branchenverband Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF)
So mancher fragt sich beim Blick auf die explodierten Energiepreise: Warum haben wir das Problem so lange vor uns hergeschoben? Die Antwort ist einfach: Günstige Energie zu nutzen war in der Vergangenheit nur allzu komfortabel. Wohlfeiles Pipeline-Gas hat viele Reformvorhaben im Keim erstickt. „Nicht rentabel, zu lange Amortisationsdauer, zu hohe Investitionssummen, lohnt nicht den Aufwand", so lauteten einige der gängigen Argumente. Dass wir mit unseren CO2-Emissionen auf lange Sicht unseren Lebensraum unbewohnbar machen, spielte bei vielen Entscheidungen eine eher untergeordnete Rolle.
Dementsprechend weit sind wir noch von erklärten Zielen entfernt. Das zeigt ein Blick auf die aktuellen Zahlen: Bis 2030 erfordern die Klimaziele des Klimaschutzgesetzes, dass wir die Emissionsminderung fast dreimal so schnell wie bisher umsetzen: bis 2030 jährlich um 36 bis 41 Millionen Tonnen weniger CO2, statt wie bisher etwa 15 Millionen Tonnen. Im Industriesektor beispielsweise beträgt die aktuelle Lücke zum Klimaziel 2030 bereits 37 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente.
Der Kostenfaktor Energie wurde bislang oft unterschätzt: Nach DENEFF-Berechnungen wurden allein im Gebäudesektor zwischen vier und sechs Milliarden Euro an Energiekosten durch Nichtstun verschwendet, und das Jahr für Jahr. Diesen Winter dürften es im Zuge der gestiegenen Energiepreise rund 10 Milliarden Euro sein. Wer jetzt nicht handelt, verheizt buchstäblich sein Geld.
Spätestens seit der Russland-Krise ist klar: Wir müssen heraus aus der Komfortzone. Denn legt man zugrunde, dass im Durchschnitt rund 15-25 Prozent Energieeinsparung durch Betriebsoptimierungen möglich sind, wären der Energiebedarf und damit auch die für Energie anfallenden erhöhten Kosten heute deutlich geringer.
Es ist nicht so, dass in puncto energetische Sanierung überhaupt nichts geschehen wäre. Doch sind derzeit Aktivitäten noch zu aktionistisch und teilweise durch die Taxonomie getrieben. Seit 2022 greift im Rahmen des Green Deals der EU als ein zentraler Baustein die EU-Taxonomie-Verordnung, auch für Gebäude. Sie gilt für Bestands- und Neubauten. Damit wird Nachhaltigkeit zur wichtigen Kenngröße bei Finanzierung und Wertermittlung. Zu erkennen ist, dass zunehmend mehr Investoren Ihr Portfolio durchaus klimakonform gestalten wollen. Die Nachfrage nach Sanierungsfahrplänen nimmt zu. Nützlicher Nebeneffekt: Gerade bei der jungen Generation wird eine Karriere in der Gebäudetechnik immer attraktiver – gegen den Trend. Was aber nach wie vor fehlt, sind eine klare Linie und feste politische Leitplanken, die Planungs- und Investitionssicherheit vermitteln.
2023 wird der Gesetzgeber mit der GEG-Novellierung nachschärfen: 65 Prozent Heizungswärme aus erneuerbaren Energien wird für alle neuen Heizungen wohl eine Vorgabe ab 2024 sein. Noch unklar ist, inwieweit die Heizungsoptimierung im Bestand auch Teil dieser Novelle sein wird. Immerhin wird es eine Art „Heizungs-TÜV“ geben, der sicherstellt, dass veraltete Anlagen zumindest nicht durch Defekte noch weiter Energie verschwenden.
Betrachtet man das bisher Erreichte wird deutlich: Für den Ausbau der Erneuerbaren gab es klare und verbindliche Zielvorgaben – welche erreicht wurden. Die Ziele für die Energieeffizienz hingegen waren nicht verbindlich – und wurden prompt verfehlt. Wir lernen daraus: Ein Energieeffizienzgesetz ist nun der logische und nötige nächste Schritt.
Dabei sind die Ziele ambitioniert: Der Endenergieverbrauch soll bis 2030 im Vergleich zu 2008 um ein Viertel sinken. Das bedeutet eine geforderte Einsparung von 500 Terrawattstunden. Bereits ab 2024 werden Einsparmaßnahmen verpflichtend. Und die Unternehmen müssen weiter Systeme zum Umweltmanagement und zur Verbrauchskontrolle einführen.
An Vorgaben wird es also in Zukunft nicht fehlen – eher an Strategien für deren Umsetzung. Denn die Praxis zeigt: Energieeffizienz ist nur unter Nutzung digitaler Gebäudedaten möglich. Es braucht digitale Systeme, um die Hauptenergieströme überhaupt zu erfassen; und die sind in vielen Bestandsgebäuden eben noch nicht vorhanden. Hier werden gerade kleine und mittlere Unternehmen häufig noch alleingelassen. Der Ruf nach mehr Daten ist unüberhörbar, nach mehr IoT – aber wie sollen oder können sie genutzt werden?
Der 24. Februar 2022 markierte auch mit Blick auf die Energienutzung eine Zeitenwende. Die Notlage kann sich aber als Beschleuniger der Energiewende erweisen. Nun gilt es, erzwungene Entscheidungen umzusetzen. Und dafür braucht die Wirtschaft Unterstützung. Durch Förderungen und Investitionsanreize, durch Abbau bürokratischer Hürden sowie durch Beratung, beim Aufbau von Infrastrukturen, etwa bei der Digitalisierung, bei der Datenanalyse und deren effizienter Nutzung, bei der Anlagenoptimierung und mit ganzheitlichen Lösungen.
Mein Rat: Bauen Sie nicht auf eine „Normalisierung“ der Lage, vertrauen Sie nicht auf vielleicht doch wieder sinkende Preise für fossile Energie. Rechnen Sie nicht mit immer neuen „Wumms“-Subventionen für veraltete Technik. Gehen Sie das Thema energetische Sanierung jetzt an. Kalkulieren Sie bisher aufgeschobene Sanierungsprojekte neu. Denn die Frage ist längt nicht mehr was es kostet es zu tun, sondern was es kosten wird, es nicht zu tun.