Klimaschonende Kältetechnik ist auf lange Sicht alternativlos
Christoph Brauneis,
18.03.2024
TGA

Klimaschonende Kältetechnik ist auf lange Sicht alternativlos

Seit dem 11. März 2024 ist die novellierte F-Gase-Verordnung über den Einsatz von fluorierten Kältemitteln in Kraft. Christoph Brauneis, Beauftragter für Politik und Medien beim VDKF e.V. und bei der Landesinnung Kälte-Klima-Technik Hessen-Thüringen/Baden-Württemberg, sowie Domenico Lacovara, Spezialist für Kältetechnik bei Caverion Deutschland, im Gespräch über Änderungen und Herausforderungen, vor denen Planer, Errichter und Betreiber von Kälteanlagen nun stehen.

Was genau umfasst die F-Gase-Verordnung?

Christoph Brauneis: Es geht um fluorierte Treibhausgase, kurz F-Gase genannt. Sie haben ein deutlich höheres Treibhauspotenzial als natürliche Kältemittel und belasten daher unsere Umwelt, wenn sie bei Leckagen ungewollt in die Atmosphäre entweichen. F-Gase kommen heute als Kältemittel in den allermeisten Klima- und Kälteanlagen zum Einsatz. Durch die novellierte F-Gase-Verordnung sollen die direkten Emissionen von fluorierten Kältemitteln weiter gesenkt werden.

Domenico Lacovara: Die neue Verordnung sieht drei wesentliche Maßnahmen vor. Da ist zunächst der sogenannte „Phase-down“, die Reduzierung der Gesamtmenge an HFKW-Kältemitteln, die in der EU jährlich in Verkehr gebracht werden. In einem nächsten Schritt greifen weitere Verwendungs- und Inverkehrbringungsverbote von Anlagen mit F-Gasen. Hier gibt es nur mögliche Ausnahmen, wenn Sicherheitsanforderungen dem Einsatz von natürlichen Kältemitteln entgegenstehen. Die Verbote greifen ansonsten immer. Schließlich müssen Betreiber für die Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebs ihrer Anlagen auf Dichtheitskontrollen, Zertifizierungen, fachgerechte Entsorgung und Kennzeichnung achten.

Welche Konsequenzen hat das für die Branche?

Christoph Brauneis: Grundsätzlich muss man seine Bestandsanlage erst einmal nicht austauschen. Im Fall einer Kältemittel-Leckage ist jedoch je nach Kältemittel und Füllmenge nicht sichergestellt, dass das Kältemittel auf dem Markt erhältlich ist. Der Druck auf Betreiber, ihre Anlagen auszutauschen, wächst daher. Das Inverkehrbringen von Ersatzteilen, die für die Reparatur und Wartung bestehender Anlagen mit F-Gasen erforderlich sind, etwa Verdichter oder Ventile, ist dauerhaft zulässig. Jedoch darf eine Reparatur nicht zu einer Erhöhung der in der Anlage enthaltenen Menge an F-Gasen führen. Und es ist keine Änderung des verwendeten F-Gases erlaubt, wenn dies zu einer Erhöhung des GWP-Werts des Kältemittels führen würde. Zur Erklärung: GWP steht für Global Warming Potential und gilt als Maß für den Treibhauseffekt einer Substanz. Ein F-Gas mit einem GWP von 2.500 ist damit 2.500-mal so klimaschädlich wie CO2.

Domenico Lacovara: Die Marschrichtung ist also klar: Bei größeren Kälteanlagen darf für Reparatur und Wartung bereits seit 2020 kein Kältemittel mehr mit einem GWP ab 2.500 als Frischware verwendet werden. Ab 2025 entfallen die Ausnahmen für kleine Anlagen; und ab 2032 gilt für Frischware ein GWP von 750 als maximal erlaubte Obergrenze. Recyceltes und wiederaufbereitetes Kältemittel ist hiervon ausgenommen – mit einer Einschränkung: Ab einem GWP von 2.500 oder höher darf es für Servicezwecke nur noch bis 2030 eingesetzt werden. Danach ist endgültig Schluss.

Was heißt das in der Praxis?

Christoph Brauneis: Die meisten Kälteanlagen können nicht ohne Weiteres auf ein alternatives Kältemittel mit niedrigerem GWP-Wert umgerüstet werden. Falls keine technisch und wirtschaftlich sinnvolle Umrüstung möglich ist, müssen solche Anlagen ausgetauscht werden.

Domenico Lacovara: So mancher Betreiber wird sich fragen, ist eine Umrüstung meiner Bestandsanlage möglich und noch wirtschaftlich, oder stelle ich mir gleich eine neue hin? Hier raten wir zu einer sorgfältigen Prüfung ihrer bestehenden Anlagen: In welchem Zustand sind sie beispielsweise? Wie wichtig sind die Anlagen? Mit was für einem Kältemittel ist die Anlage befüllt? Können bei der Erneuerung Synergieeffekte entstehen? Wie hoch sind die Umrüstungskosten in Relation zur Neuanschaffung? Natürlich ist eine neue Anlage zuerst einmal eine Investition, aber man gewinnt auch Betriebssicherheit und Effizienz – und tut auf jeden Fall etwas für die Umwelt.

Und was bedeutet das für Neuanlagen?

Christoph Brauneis: Wo dies möglich ist, sollten Neuanlagen nur noch mit nicht-fluorierten Kältemitteln wie Propan, Kohlendioxid oder Ammoniak oder mit fluorierten Kältemitteln mit einem möglichst niedrigen GWP-Wert geplant werden.

Domenico Lacovara: Allerdings muss man bei der Verwendung von nicht-fluorierten Kältemitteln mit hoher Sorgfalt verfahren: Propan ist hochentzündlich, Ammoniak ist giftig und Kohlendioxid wirkt in hohen Konzentrationen erstickend.

Christoph Brauneis: Wichtig ist in jedem Fall die Gefährdungsbeurteilung für Kälteanlagen. Sie wird oft vernachlässigt, ist aber dringend erforderlich, unabhängig von der Kältemittelart. Denn auch die noch erlaubten F-Gase mit geringem GWP-Wert sind größtenteils zwar schwer entflammbar – aber eben doch entflammbar. Hier braucht es eine auf die jeweilige Situation ausgerichtete Sicherheitsarchitektur.

Wie verhält es sich mit dem PFAS-Verbot?

Christoph Brauneis: Ursprünglich wollte die EU-Kommission bis 2025 im Rahmen der europäischen REACH-Verordnung über das PFAS-Verbot entscheiden. Der Zeitplan verzögert sich jedoch höchstwahrscheinlich deutlich. Vor 2027 rechne ich nicht mit einem Inkrafttreten. Die Kältebranche verwendet PFAS-Chemikalien in vielfältigen Formen und Anwendungen. Die meisten fluorierten Kältemittel zählen zur Stoffgruppe der PFAS. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen des PFAS-Verbots wären immens, denn in vielen Anwendungsfällen fehlen geeignete Alternativen mit den gleichen, zwingend erforderlichen Materialeigenschaften.

Kommen wir zurück zu der F-Gase-Verordnung. Was empfehlen Sie der Branche?

Christoph Brauneis: Individuelle Beratung ist in jedem Fall sehr wichtig. Denn bei Kälteanlagen haben wir es nicht mit Lösungen von der Stange zu tun. Sie werden genau auf den jeweiligen Betrieb zugeschnitten. Und so kann man es in diesem Kontext nicht oft genug raten: Informieren Sie sich umfassend, und das unbedingt bei Experten.

Domenico Lacovara: Entscheidend ist, rechtzeitig die Weichen für Umrüstung oder Neuanlage zu stellen und einen genauen Finanzierungsplan zu erstellen. Dabei sollte man einen Dienstleiter mit erfahrenem, zertifizierten Fachpersonal zu Rate ziehen. Wir von Caverion, als zertifizierter Betrieb, können nicht nur umfassend und rechtzeitig beraten, sondern auch bestehende Anlagen so umrüsten, dass sie mit den derzeit genehmigten Kältemitteln noch eine ganze Weile wirtschaftlich arbeiten. Und wo sich das nicht mehr empfiehlt, entwickeln wir gemeinsam mit unseren Kunden neue Lösungen.

Ein Blick in die Zukunft: Wo geht die Reise in puncto Kältetechnik hin?

Domenico Lacovara: Eines ist klar: Klimaschonende Kältetechnik ist auf lange Sicht alternativlos. Wir müssen in absehbarer Zeit komplett auf F-Gase verzichten.

Christoph Brauneis: Dem ist nichts hinzuzufügen. Die F-Gase-Verordnung lässt mittelfristig keinen anderen Weg offen.

Weitere Informationen zur novellierten F-Gase-Verordnung finden Sie unter

BMUV: Erfolg für den Klimaschutz: Neue Vorgaben für fluorierte Treibhausgase | Pressemitteilung

BMUV: Fluorierte Treibhausgase

EU-Verordnung über fluorierte Treibhausgase | Umweltbundesamt

VDKF-Information-November-Dezember-2023.pdf, ab Seite 34.

Über den Autor

Christoph Brauneis
Christoph Brauneis Beauftragter für Politik und Medien

Text: Eva-Maria Beck, Illustration: Thomas Hardtmann