Rechtlich gesehen ist heute jedes größere Bauvorhaben in der Regel ein komplexes Konstrukt aus Einzelverträgen, die der Auftraggeber mit Planern, Architekten, Ingenieuren und ausführenden Bauunternehmen abschließt. Nach wie vor arbeiten die beteiligten Parteien eher nebeneinander her als miteinander. Kommt es zu Verzögerungen und Planungskollisionen, sind Auseinandersetzungen vorprogrammiert, die ein Projekt weder schneller noch billiger machen. Alle von Anfang an ins Boot zu holen, wie es nach dem BIM-Verfahren längst möglich ist, kann hier viel Zeit, Geld und Ärger sparen.
Dass im Bürocontainer des Bauleiters dicke Luft herrscht, liegt nicht allein an den hohen Außentemperaturen. Wie er denn Leitungen in noch nicht vorhandene Trockenbauwände verlegen solle, fragt ein aufgebrachter Elektriker; außerdem sei in den Schächten kein Platz mehr; Dort, wo eigentlich die Hauptleitung hinsollte, „hat irgendeiner einen Lüftungskanal montiert.“ Statt zu montieren, habe er jetzt Zeit, eine Behinderungsanzeige zu schreiben.
Diese nicht ganz so konfliktfreie „Zusammenarbeit“ zwischen den an einem Bauvorhaben beteiligten Akteuren ist eine der Hauptursachen dafür, dass Zeitpläne und Kosten immer wieder aus dem Ruder laufen und etliche Projekte sogar komplett scheitern. Das liegt keineswegs daran, dass auf dem Bau besonders konfrontative Menschen arbeiten. Ursache ist vielmehr eine generell nicht mehr zeitgemäße Herangehensweise bei der Planung und Vertragsgestaltung: Der Bauherr verhandelt mit jedem Planer und jedem Gewerk einzeln und schließt eine Vielzahl von Verträgen, die oft nur die Einzelleistung und den Fertigstellungstermin berücksichtigen.
… mag in Zeiten, in denen ein Gebäude nur Wasser-, Elektro- und Gasanschlüsse brauchte, noch ganz gut funktioniert haben – ein modernes „Smart Building“ lässt sich auf diese Weise nicht mehr effizient bauen. Zu komplex ist die Gebäudetechnik, zu groß sind die gegenseitigen Abhängigkeiten. Das Resultat ist ein Arbeitsklima, das von gegenseitigem Druck und Schuldzuweisungen geprägt ist.
Moderne Gebäude kann und sollte man nur noch in enger Kooperation aller am Bau Beteiligten hochziehen. Erst wenn jeder Gewerkeverantwortliche genau weiß, was die anderen machen und wie weit sie damit sind, lassen sich vielfach unvermeidliche Ablaufstörungen gemeinsam verhindern. Technisch gesehen ist das heute machbar. Wie? Das haben wir in einem unserer Blogs ausführlich dargelegt: Building Information Modeling (BIM) führt sämtliche technische, organisatorische und kaufmännische Informationen in einem digitalen Gebäudezwilling zusammen, mit dem alle arbeiten – kooperativ und effektiv. Und damit gemeinschaftlich das Beste für das Projekt rausholen.
Warum das noch nicht schon überall so gemacht wird? Weil unter anderem viele Baubeteiligte dafür weder die technischen Voraussetzungen noch das nötige Know-how mitbringen – oder offen hierfür sind. Noch hinderlicher ist jedoch bei komplexen Großprojekten die bisher gängige Einzelvertragsgestaltung: ein System, das ein Projekt zersplittert statt integriert, das bei Verzögerungen nach Schuldigen statt nach Lösungen sucht, das oft den belohnt, der billig anbietet und dann auf Basis „kreativer“ Vertragsgestaltung ordentlich draufschlägt.
Das sollten wir ändern.
… gilt als vertragsrechtliches Pendant des BIM-Prinzips. So wie man gemeinsam mit einem zentralen Datenmodell arbeitet, bringt der Mehrparteienvertrag die wichtigen Akteure an einen Tisch, in einen Vertrag. Die wesentlichen Elemente dabei sind:
Dass man am Ende Bauverzögerungen reduziert, Streit vermeidet und Kosten spart, wenn alle an einem Strang ziehen, braucht wohl nicht extra betont zu werden. Aber der kooperative Ansatz bietet noch weitere Vorteile. Da das Mehrkostenrisiko auf vielen Schultern lastet, steigt beispielsweise der Druck auf die Beteiligten, realistische Zielkostenangebote abzugeben, was wiederum weitaus zuverlässigere und professionellere Kostenschätzungen für das Gesamtprojekt ermöglicht.
… trifft den Nerv der Zeit: Nicht die Sicherung eigener Interessen und die Ablehnung jeglicher Haftung steht im Mittelpunkt, sondern der Projekterfolg durch eine Vergemeinschaftung von Chancen und Risiken. Best for Project also. Das erweist sich nicht nur bei der täglichen Arbeit als ausgesprochen produktiv und stressvermeidend, sondern ist auch ein deutlicher Konkurrenzvorteil bei der Personalbeschaffung. Keiner mag sich mehr damit abfinden, dass auf Baustellen halt ein „rauer Ton“ herrscht. Vielen erscheint es ausgesprochen wenig erstrebenswert, die in der Branche immer noch gängigen Konflikte Tag für Tag auszufechten, säumige Firmen unter Druck zu setzen, unzählige Einzelverträge wieder und wieder nach versteckten Mehrkosten zu durchforsten. Nicht nur Berufseinsteigende wollen kooperativ im Team arbeiten, wollen respektvoll miteinander umgehen.
Mit der integrierten Projektabwicklung hätten wir endlich Gelegenheit dazu – wenn sich diese Methode dann auch konsequent in der Praxis von Großprojekten durchsetzen würde.
Text: Eva-Maria Beck, Illustration: Thomas Hardtmann