CO2-Ampel als Aerosolschutz?
Holger Winkelsträter,
16.09.2020
TGA

CO2-Ampel als Aerosolschutz?

Anfangs unterschätzt, werden Aerosole nun immer mehr als Ansteckungsrisiko für Covid-19 erkannt. Gegen die in der Luft schwebenden, winzigen, infektiösen Tröpfchen hilft regelmäßiger Luftaustausch. Wann es Zeit zum Fensteröffnen wird, sollen Kohlendioxid-Messgeräte zeigen. Die CO2-Ampel hat allerdings so ihre Schwächen.

"Fenster auf, …

… Mief raus!“, so lautete schon zu meiner Gymnasialzeit ein Wahlspruch im Lehrerkollegium. Und in Zeiten von SARS-CoV-2 erhält regelmäßiges Lüften nun einen ganz neuen Stellenwert. Ging man nämlich zu Beginn der Pandemie eher von Schmier- oder Tröpfcheninfektionen als Überträger aus, ermitteln nun neue Studien neue Gefahrenquellen: Einer Gruppe von Forschern der University of Florida ist es zum ersten Mal gelungen, Sars-CoV-2-Lebendviren in Aerosolen nachzuweisen.1

Beim Sprechen, Singen oder Schreien, aber auch nur bei der ganz normalen Ausatmung, werden winzige, potenziell keimbelastete Partikel freigesetzt. Diese weniger als fünf Mikrometer kleinen Teilchen fallen nicht zu Boden, sondern können sich über längere Zeit in der Raumluft halten. Dann bietet selbst der vorgeschriebene 1,5-Meter-Sicherheitsabstand keinen Schutz mehr. So schätzt auch der Virologe Christian Drosten, dass für fast die Hälfte aller Übertragungen von Sars-CoV-2 Aerosole verantwortlich sind.2

Die gute Nachricht: Durch rechtzeitigen Luftaustausch lässt sich der Aerosolanteil in der Raumluft so weit drücken, dass die Virenkonzentration für eine Infektion nicht mehr ausreicht. Veranstaltungen im Freien oder das Arbeiten bei ständig sperrangelweit geöffneten Fenstern sind probate Mittel zum Infektionsschutz – jedenfalls im Sommer.

"Fenster zu" ...

… heißt dann allerdings die Devise in der kalten Jahreszeit, denn Zugluft gilt als eines der sichersten Mittel, sich zwar nicht Covid-19, dafür aber schmerzhafte Verspannungen oder eine Erkältung einzufangen – von der Heizenergieverschwendung einmal ganz zu schweigen.

Einen Anhaltspunkt dafür, wann es dann wieder Zeit zum Stoßlüften ist, sollen CO2-Messgeräte geben. Sie können zwar die Aerosolkonzentration im Raum nicht ermitteln, da aber CO2 bei der Ausatmung kontinuierlich abgegeben wird, könne man aus der Verbreitung des Spurengases auf einen proportionalen Anstieg der Aerosolkonzentration schließen, so die Idee. Ein paar Schwellenwerte festgelegt, drei LEDs eingebaut, und fertig ist die CO2-Ampel zur Pandemiebekämpfung.

Ganz so einfach …

… ist es aber dann auch wieder nicht. Denn was die Ampel messen wird, lässt sich eigentlich recht einfach vorhersagen: Das Gerät wird einen kontinuierlichen Anstieg der CO2-Werte anzeigen, proportional zur verstrichenen Zeit. Will heißen: Wann es wieder Zeit zum Lüften ist, kann man über die CO2-Ampel bestimmen – eine Eieruhr tut’s aber auch.

Ein CO2-Messgerät, irgendwo im Raum platziert, sagt nämlich weniger über die reale Aerosolkonzentration aus als man denkt. Denn für unseren ganz persönlichen CO2-Ausstoß ist es nicht so wichtig, ob wir nun sprechen oder nur atmen – bei der Produktion von Aerosolen ist dies aber ganz entscheidend. Daher ist CO2 als Aerosolindikator ein Anhaltspunkt, aber keineswegs der Weisheit letzter Schluss.

Die CO2-Ampel auf dem Lehrerpult oder der automatische Fensteröffner mit CO2-Sensor können daher nur eine Übergangslösung sein. Wir von Caverion wissen, wie man Aerosole in der Raumluft wirksam und auch wirtschaftlich vertretbar niederhält: Durch intelligente Be- und Entlüftungssysteme, energiesparende Wärmetauscher zwischen Zu- und Abluft, durch ausgereifte und an der richtigen Stelle platzierte Sensorik, durch ein intelligentes und vernetztes Gebäudeautomationssystem. Das infektionssichere Büro oder Klinikum der Zukunft braucht keine primitive CO-Ampel, sondern eine individuell zugeschnittene Lösung, die bauliche Auflagen, Gebäudetyp und -nutzung berücksichtigt. Hier herrscht gerade in Bestandsgebäuden noch erheblicher Nachholbedarf, der erst im Zuge der Pandemie auf recht unangenehme Weise deutlich wurde.

Das sieht anscheinend auch die Bundesregierung so: Medienberichten zufolge, will sie die Vorgaben für Lüftungsanlagen in öffentlichen Gebäuden und Unternehmen verschärfen. „Die Lüftung von Gebäudeinnenräumen, in denen sich mehrere Personen nicht nur kurzfristig aufhalten, ist insbesondere durch Erhöhung von Luftwechsel und Außenluftzufuhr so zu verbessern, dass Infektionsgefahren weitgehend minimiert werden", steht in einer Vorlage des Arbeitsministeriums für eine Sitzung des Corona-Kabinetts, wie „The Pioneer“ berichtete.3

Es gibt viel zu belüften – rüsten wir nach!

Über den Autor

Holger Winkelsträter
Holger Winkelsträter Leiter Marketing & Kommunikation

Text: Eva-Maria Beck, Illustration: Thomas Hardtmann
Quellen: 1 ZDF2 NDR3 Börse online, dpa