Die Idee scheint einfach: Bauvorschriften und Energiestandards lockern, heißt Kosten senken. Wer aber die Bilanz eines Gebäudes über den Nutzungszeitraum genauer durchrechnet, merkt schnell, dass diese Vorstellung zu kurz greift.
… das hat viele Gründe: Wir sind nicht gerade ein Flächenstaat und neigen überdies dazu, uns in begehrten Ballungszentren zu versammeln, was die Grundstückspreise in die Höhe treibt. Die chronisch brummende Konjunktur tut ein Übriges: Baufirmen sind sehr gut bis äußerst komfortabel ausgelastet und nehmen nur lukrative Projekte an. Die üppige Auftragslage erhöht die Nachfrage nach Baumaterialien – und damit den Preis.
Das hat Folgen: Die Kosten für einen Neubau zum Beispiel stiegen im vergangenen Jahr so stark wie seit elf Jahren nicht mehr. Nach Angaben des statistischen Bundesamts kletterte der Baupreisindex im vierten Quartal 2018 um 4,8 Prozent bei Wohn- und gewerblichen Betriebsgebäuden und um 4,7 Prozent bei Büros, jeweils bezogen auf das Vorjahresquartal 1.
Ein weiterer Kostentreiber – und dieses Argument ist wohl so alt wie das organisierte Bauen selbst – seien die vielen Vorschriften, meinen etliche Experten und Berater. So hat ein Gremium der Bundesregierung empfohlen, den sozialen Wohnungsbau gleich völlig abzuschaffen und stattdessen mehr Anreize für den Neubau zu schaffen, zum Beispiel durch – Sie haben es erraten: „die Lockerung von Bauvorschriften“ 2.
Wie „einfach“ es doch gehen könnte, zeigt der Trend zu „Tiny Homes“ der verschiedensten Ausprägung: kostensparende Leichtbauweise, Leben auf wenigen Quadratmetern – und auf Rädern natürlich, um den „unnützen Vorschriften“ ein Schnippchen zu schlagen. Abgelichtet werden diese neuen Wohnkonzepte immer mit Super-Weitwinkel-Objektiven, in tadellos aufgeräumtem Zustand – und an strahlend schönen Sommertagen. Da scheint es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch ein Büro oder Handwerksbetrieb in einen dünnen Bretterverschlag zieht.
… kann im Einzelfall vielleicht sinnvoll sein – in der Regel wurden Gesetze und Normen aber nicht einfach aus Jux und Tollerei erlassen: Bauvorschriften wachen im privaten wie im gewerblichen Bereich über den Brandschutz, die Barrierefreiheit, das Raumklima und natürlich über die Energieeffizienz. Und dass man am Brandschutz tunlichst nicht rütteln sollte, leuchtet spätestens nach der Katastrophe im Grenfell Tower, London, wohl jedem ein 3.
Per Gesetzesänderung an Wärmedämmung und Energieeffizienz zu sparen, wäre aber ebenfalls keine gute Idee. Unser Klimaproblem lässt sich nicht einfach wegignorieren – auch wenn Populisten und allzu wirtschaftsnahe Berater dies immer wieder versuchen. Energieeffizienz und CO2-Reduktion gibt es nicht zum Nulltarif – sie sind eben eine Investition in unser aller Zukunft.
Aber auch wer in Sachen Klimaschutz keinen Handlungsbedarf sieht, wer ausschließlich wirtschaftlich denkt, der sollte dies zumindest langfristig tun: Rund 80 Prozent der Gesamtkosten eines Gebäudes entstehen im laufenden Betrieb. Daher gilt, bei Wohn- wie bei Geschäftsbauten: Wer heute in Effizienz investiert, spart morgen an den Betriebskosten.
Oder andersherum: Wer heute nach Lockerung von Vorschriften verlangt, spart nicht nur an der Qualität, sondern unterschreibt eben auch eine Hypothek auf die nahe und fernere Zukunft.
In ökologischer wie ökonomischer Hinsicht.
Text: Eva-Maria Beck, Illustration: Thomas Hardtmann
Quellen: [1] Statistisches Bundesamt; [2] Spiegel Online; [2] Welt