Abwärme ist kein Müll, sondern wertvolle Energie
Martin Kraft,
22.10.2024
Energie

Abwärme ist kein Müll, sondern wertvolle Energie

Focus Topic: EnEfG Abwärme-Management und Meldepflicht

Die Zeit drängt: Ab dem 1. Januar 2025 gelten die neuen Regelungen des Energie-Effizienz-Gesetzes (EnEfG). Es sieht, gestaffelt nach Energieverbrauch, eine Melde- und Vermeidungspflicht für ungenutzte Abwärme vor. Was bedeutet das für Unternehmen und Betriebe? Über Pflichten und Chancen sprachen wir mit Martin Kraft, Teamleiter Energy Services bei der Caverion Deutschland GmbH.

Herr Kraft, alle sprechen vom Bürokratieabbau – und nun kommt wieder eine neue Meldepflicht auf Betriebe und Unternehmen zu? Ist das nicht ein weiterer Hemmschuh für die Wirtschaft?

Nur wenn man sehr kurzfristig und opportunistisch denkt. Natürlich bedeutet eine Meldepflicht für Abwärme zunächst einen Mehraufwand, aber langfristig eben auch eine große Chance, Energiekosten zu senken, Abhängigkeiten zu verringern und CO2 einzusparen.

Warum ist man da nicht schon früher draufgekommen?

Weil Verteilernetze Investitionen erfordern – und Energie bislang sehr billig war. Und weil wir die Auswirkungen von CO2-Freisetzung auf unseren Lebensraum über Jahrzehnte konsequent ignoriert haben – genauso wie die enorme Abhängigkeit von fast monopolisierten Energielieferanten. Nun ist Energie teuer, der Klimawandel bedrohlich und frühere Lieferanten nicht mehr akzeptabel. Die Politik muss also drei Probleme auf einmal lösen. Da ist es nur logisch, dass man sich auf eine wichtige Energiequelle unserer Zeit besinnt: den intelligenten Einsatz von Abwärme.

Wo fällt denn meldepflichtige Abwärme an?

… in nahezu allen Bereichen, zum Beispiel wenn Motoren oder Rechenzentren betrieben, wenn Metalle oder Glas geschmolzen, Drucklufttanks gefüllt oder Lebensmittel gekühlt werden. Wie wir schon aus der Physik wissen: Energie bleibt bestehen, sie ändert nur ihre Form und ihr Niveau. Ein Großteil der Kilowattstunden, die wir in einen Prozess investieren, wird letztlich in Wärme umgesetzt. Und wenn wir diese Wärme nicht mehr weiter nutzen können oder wollen, erklären wir sie kurzerhand zur „Abwärme“.

Für wen gilt die Meldepflicht, und welche Maßnahmen umfasst sie?

… für Betriebe ab einem durchschnittlichen jährlichen Gesamtenergieverbrauch von 2,5 GWh (vergleichbar mit dem Verbrauch eines mittelgroßen Bürogebäudes), ermittelt anhand der letzten drei Jahre: Für sie wird die Erstellung von konkreten Umsetzungsplänen und Veröffentlichung aller als wirtschaftlich identifizierten Endenergieeinsparmaßnahmen verpflichtend. Als wirtschaftlich gelten Maßnahmen bei positivem Kapitalwert nach maximal 50 Prozent der Nutzungsdauer.

Für Unternehmen mit mehr als 7,5 GWh Jahresverbrauch gelten zusätzliche Anforderungen: Die Identifizierung und Darstellung technisch realisierbarer Endenergieeinsparmaßnahmen, das Erfassen von Zufuhr und Abgabe von Energie und Abwärme, Maßnahmen zur Abwärmerückgewinnung und -nutzung sowie eine Wirtschaftlichkeitsbewertung der identifizierten Maßnahmen nach Kapitalwert. Für alle gilt: Abwärme muss nach Stand der Technik vermieden oder auf das technisch unvermeidbare Maß reduziert werden, soweit dies möglich und zumutbar ist. Hier gelten die BVT-Blätter gemäß der Richtlinie 2010/75/EU(IED). Vorgeschrieben ist ferner eine Meldung verbleibender Abwärme an eine Online-Plattform des BAFA.

Das hört sich ziemlich aufwändig an, also doch wieder nur eine neue Belastung?

Da sehe ich nicht so. Rund zwei Drittel des gesamten industriellen Energieverbrauchs gehen hierzulande auf das Konto von Abwärme, also Energie, die wir zum Müll erklärt haben1. Da sieht man schon, welches gewaltige Einsparpotenzial hier noch schlummert. Denn man kann es nicht oft genug betonen: Abwärme ist kein Müll, sondern wertvolle Energie. Wenn wir sie mit intelligenten Verteilernetzen und Wärmepumpen immer weiter nutzen, können wir den Einsatz von Primärenergie signifikant senken und damit auch die Kosten. Wer Energie umweltschonend einsetzt, profitiert überdies von einem deutlichen Image-Gewinn. So werden unter anderem die Abwärmedaten auf einer öffentlichen Plattform von der BfEE2 bereitgestellt und für jedermann sichtbar gemacht. Viele Kunden achten schon heute sehr genau darauf, wie Produkte produziert werden und werden sich dort informieren.

Aber wie setzt man die neuen Richtlinien als Unternehmer am besten um?

Man kann sich natürlich umfassend in das Thema einarbeiten, zum Beispiel mit der Entscheidungsmatrix, die wir für unsere Kunden entwickelt haben. Aber in den meisten Fällen ist Outsourcing die bessere und kosteneffizientere Lösung. Spezialisierte Unternehmen wie Caverion bieten Beratung und Durchführung als Komplettservice an – alles aus einer Hand, von der Bestandsaufnahme, der Anlagenprüfung bis hin zur Datenerfassung für die Eingabe in das Portal. Letztere liegt dann in der Verantwortung des jeweiligen Unternehmens. Die gewonnen Daten bilden die Grundlage für weitere Maßnahmen zur Vermeidung oder Weiterverwendung. Abwärme wird damit zur neuen Energiequelle.

Und wo unterstützen Sie noch?

Wir behalten auch die Fristen stets im Blick, was für Kunden im Tagesgeschäft oft sehr zeitintensiv ist und Personal bindet. Außerdem berät Caverion in dem Kontext der Energieeffizienz, wo sich im Anlagenprozess noch technische Abläufe optimieren lassen und wo Anlagen selbst Optimierungspotenziale aufweisen. Alles in allem schlägt man gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe.

1 Quelle: BMWK Newsletter Energiewende - Was ist eigentlich "Abwärme"? (bmwk-energiewende.de)

2 Quelle: BfEE - Plattform für Abwärme

Über den Autor

Martin Kraft
Martin Kraft Teamleiter Energy Services

Text: Eva-Maria Beck, Illustration: Thomas Hardtmann