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Franz Wudy,
11.07.2023
Digitalisierung

„Je besser die Organisation, desto weniger Unfälle“

Was sind die Hauptursachen für Arbeitsunfälle auf Baustellen und in Betrieben? Wie lässt sich der Arbeitsalltag sicherer machen? Was muss ein Arbeitgeber tun, um seine Mitarbeitenden für Gefahren zu sensibilisieren und damit zu schützen? Und welche Rolle spielt die Digitalisierung bei der Unfallvermeidung? Fragen an Franz Wudy, Leiter Arbeitssicherheit bei Caverion, zum Thema digitale Arbeitssicherheit.

Die Baustelle gehört in Deutschland zu den gefährlichsten Arbeitsplätzen. Fast 100.000 Mitarbeitende wurden im vergangenen Jahr im Job verletzt, 74 starben1. Die IG Bau fordert häufigere Kontrollen, mehr Prävention und Arbeitsschutz. Wie gehen Sie damit um?

Franz Wudy: Baustellen sind natürlich ein prinzipiell gefährlicher Ort. Vieles, was das Gebäude später sicher macht, zum Beispiel ein Geländer, ist eben noch nicht installiert. Außerdem sind viele Maschinen im Einsatz, die schwere Lasten befördern und hohe Kräfte einsetzen. Wir kennen die Gefahren. Unsere Mitarbeitenden sind unsere wertvollste Ressource. Umso wichtiger ist es für Caverion, sie zu schützen. Sicherheit hat bei uns oberste Priorität!

Worin sehen Sie die Hauptursachen für Arbeitsunfälle auf Baustellen?

Franz Wudy: Salopp ausgedrückt: Vielerorts Sorglosigkeit und Improvisation. Das kann jeder bei sich selbst beobachten: Die Glühbirne ist defekt – und wir steigen „mal eben“ auf den wackligen Küchenstuhl, anstatt planvoll und sicher vorzugehen, anstatt die sichere Trittleiter aus dem Keller zu holen. Der Mensch tendiert nun einmal zur einfachsten und schnellsten Lösung – aber die ist nicht immer die sicherste.

Welche Grundsätze verfolgt Caverion bei der Unfallverhütung?

Franz Wudy: Sorgfältige Planung und genau definierte Verantwortlichkeiten: je besser die Organisation, je besser das Qualitätsmanagement eines Unternehmens, desto weniger Unfälle. Arbeiten mit Gefahrenpotenzial müssen besonders gut vorbereitet und präventiv abgesichert werden – auch wenn das scheinbar zusätzlichen Aufwand bedeutet.

Warum scheinbar?

Franz Wudy: Weil es eben mit Pi-Mal-Daumen-Planung und Vor-Ort-Durchwursteln unterm Strich nicht schneller geht. Hoher Kosten- und Zeitdruck dürfen nicht dazu führen, dass der Arbeitsschutz vernachlässigt wird. Wenn die Verantwortung für Sicherheit und Qualität ungenau ausgeübt und nicht nachvollziehbar ist, sind Mängel und Arbeitsunfälle vorprogrammiert, die das jeweilige Projekt dann weit zurückwerfen. Aber entscheidend ist doch: Als Arbeitgeber ist man verantwortlich für die Gesundheit der Fachkräfte. Dazu haben wir bei Caverion das Team „Sicherheit und Gesundheit“, das sich um alle Belange zum Thema kümmert. Für unser Team und damit auch für mich ist jeder Arbeitsunfall eine ganz persönliche Niederlage – die wir unbedingt vermeiden müssen.

Und wie tun Sie das?

Franz Wudy: Operativ, indem wir die Mitarbeitenden immer und immer wieder daran erinnern, wie wichtig die persönliche Schutzausstattung und die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften sind; organisatorisch, indem wir Aufgaben und Verantwortlichkeiten klar und nachverfolgbar definieren.

Was heißt das konkret?

Franz Wudy: Konkret meine ich damit: Digitalisierung und Prozesseffizienz. Wir haben die Arbeitsvorbereitung und -dokumentation mit einer speziellen Software digitalisiert. Sie unterteilt ein Projekt in Tasks, die jeweils durch ein Ticket repräsentiert werden. Jedes Ticket beinhaltet eine bestimmte auszuführende Arbeit, etwa Mängelbeseitigungen, Planprüfungen, noch fehlende Vorleistungen oder Arbeitssicherheitsdefizite. Jedes Ticket ist einer bestimmten Fachkraft zugewiesen, die es abarbeitet und die Ausführung in einer App quittiert. Damit wollen wir garantieren, dass Mängel auch nachweislich beseitigt werden. Im Ergebnis stellen wir also sicher, dass beispielsweise eine Treppe mit einem provisorischen Geländer abgesichert ist, bevor sie von den Arbeitenden genutzt wird. Und wir können mangelhafte Ausführungen einer Person zuordnen. Damit vermeiden wir nicht nur Unfälle, sondern steigern auch die Qualität und Effektivität. Der Erfolg gibt uns recht: Derzeit liegen wir mit Stand Ende Mai bei 0,73 Arbeitsunfällen je 1 Mio. geleisteter Arbeitsstunden und damit weit unter dem Branchendurchschnitt.

Mehr Sicherheit bedeutet also nicht zwangsläufig mehr Kosten?

Franz Wudy: Im Gegenteil! Mal ganz abgesehen vom menschlichen Leid: Jeder Krankheitstag eines Monteurs nach einem Arbeitsunfall schlägt nicht nur bei uns nach eigenen Berechnungen mit Ausfallkosten und entgangenem Gewinn zu Buche: Die Kollegen müssen in der Regel den jeweiligen Ausfall kompensieren: Damit erzeugen wir Stress und ein deutlich erhöhtes Risiko für weitere Arbeitsunfälle. Alles Kosten und Aufwand, die vermeidbar sind. Die digitalisierte Arbeitsplanung und Dokumentation machen die Arbeit aber nicht nur sicherer, sondern auch günstiger: weniger redundante Arbeiten, weniger Mängel, gezielterer Personaleinsatz, automatisiertes Reporting – all das summiert sich. Mit der bei uns eingesetzten Software PlanRadar erzielen wir Einsparungen von 50 bis 70 Prozent. Sie sehen also: Sicherheit lohnt sich!

1 Quelle Tagesschau

Über den Autor

Franz Wudy
Franz Wudy Leiter Sicherheit & Gesundheit

Text: Eva-Maria Beck, Illustration: Thomas Hardtmann